Mit Katharina Kiéck habe ich mir für die erste Folge den Inbegriff von Freiheitsdrang ausgesucht. Ihre Ungebundenheit als Freelancerin ist so ausgeprägt, dass sie selbst mich als Unternehmer beeindruckt hat. Dabei teilen wir biografisch zentrale Erfahrungen. Eine ist die erste Berührung mit tradierten Unternehmen. Sie hat sich direkt nach dem Studium bei einer Unternehmensberatung beworben und ihr war vor Ort sofort bewusst: “Ich müsste drei Jahre lernen mich zu verstellen, um in diesen Job zu passen”. Das hat mich unmittelbar an mein Praktikum bei einer renommierten Bank erinnert, wo ich für einen zweiten Kugelschreiber Formulare im Keller ausfüllen musste. Dass man anders als in einer Bank oder einer Unternehmensberatung arbeiten möchte, darauf können sich viele einigen. Wie Katharina zu arbeiten, das können aber nicht viele, glaube ich. Sie bringt als Freelancerin mit ihrer Netzwerk-Firma loyalsea für Medienproduktionen mal eben andere Freie aus Imsouane in Marokko, Köln, Baleal nahe Lissabon und New York zusammen, z.B. um eine Doku über eine Helikopterpilotin zu drehen, die ihr Markenhersteller als Content unfrisiert abkaufen.
Eine der spannendsten Fragen nach dem Vorgespräch war für mich: Wie kriegt man das hin, wie führt man remote? Also wie organisiert man als Freelancer andere Freie? Und wie wählt man sie aus: Wie entscheide ich, ob sie unternehmerisch genug denken, aber sich auch verlässlich in meine Projekte integrieren lassen? Dazu habe ich ein paar Thesen, die ich aus dem Gespräch mit Katharina mitgenommen habe, die auch außerhalb von Helikoptern und Outdoor-Sport Geltung haben, z.B. wenn man sich, wie ich, nicht eine Sekunde auf einem Surfboard halten kann.
1. Freie Mitarbeiter sind Partner.
Katharina nennt die Mitglieder ihres Netzwerks auf loyalsea.com „Partners“. Sie verwendet diesen Begriff weder juristisch noch pädagogisch: Sie ist die Projekt-Chefin. Aber sie erkennt freie Talente als solche an und arbeitet auf professioneller Augenhöhe mit ihnen zusammen. Ein Satz von ihr, den sich jedes Unternehmen zum Poster aufziehen lassen sollte: „Man muss sich klar machen, dass man mit Menschen und nicht mit Funktionen zusammenarbeitet.” Ein anderer Gedanke von ihr ist herrlich konkret für remote leadership: „Bedanken und Entschuldigen oder auf dem Laufenden halten, das ist der Schlüssel in der Arbeit mit anderen Freelancern.“
2. Nomadentum bedeutet Organisation.
Auf Instagram sehen Katharinas Drehs und ihre „Surf Offices“ mit anderen Freien nach Urlaub mit ein bisschen Laptop aus. Auf Twitter zeigt sie aber auch wie viel Drehgenehmigungen, Austausch, Verpflegung, Daunenjacken, Transporte und Kraft dahinter stecken. Meine These: Katharina kann schneller ein Treffen mit zehn Freien von drei Kontinenten organisieren als manche ein Team-Barbecue. Nomaden wie Katharina sind vielleicht besser darin ad hoc die richtigen Leute an einem geografisch sinnvollen Punkt zusammenzubringen als stark verortete Menschen. Was sie dabei im Gespräch betont hat war, wie wichtig der menschliche Austausch vor Ort ist, nicht nur mit dem Kunden. Nach dem Gespräch mit ihr habe ich „Digital-Nomade“ ersatzlos aus meinem Wortschatz gestrichen.
3. Ein Business um Menschen herum zu bauen lohnt.
Meine drittes Take-Away aus dem Gespräch mit Katharina geht eine Ebene tiefer: Sie verbindet eine Medienproduktion mit Innovationsberatung für Unternehmen, und sitzt auf Panels zum Thema Diversity, Empowerment und Digital Enabling. Mein Eindruck war: Alle Stränge befruchten sich gegenseitig. Es ist ein funktionierendes Netz, gebaut rund um Menschen und das Thema Mensch. Dafür gibt es keine Jobbeschreibung auf dem Arbeitsmarkt. Dabei ist es auch aus Sicht des Marktes sinnvoll, denke ich. Auftraggeber und Konsumenten suchen zunehmend Menschen bzw. Marken mit starker Identität und Haltung. Als ich Katharina nach der Bedeutung von Social Media für ihr Geschäft fragte, antwortete sie: „Die buchen heutzutage nicht mehr nur deine Leistung sondern eben auch dich als Person.” Bleibt die Frage: Inwiefern kann das jeder, seine Einkommensquelle einfach um sich und andere Freigeister herum zu bauen? Wie kommt man dazu sich aus zig Interessen etwas zu bauen, dass es noch nicht gibt? Bereits ganz früh in der Studio-Aufnahme spricht Katharina über ihren konsequent freien Werdegang nach dem Studium – ohne große Erfahrung. Ihre Erklärung dafür: „Es kommt ja immer auch darauf zurück, was man als Kind oder Jugendlicher gelernt hat.“ Herr und Frau Kiéck haben ihrer Tochter gesagt: „Wenn’s das nicht gibt, was Du haben möchtest, dann bau’s Dir halt.“
Ich glaube, „Dann bau’s Dir halt“ könnte einer der Leuchtturmsätze dieser Podcastreihe werden. Meine Frage: Was hat Euch veranlasst Euch selbständig zu machen? Und was haben Eure Eltern Euch beigebracht?